Allein auf einer einsamen Insel

Heute wurde die Bestrahlung erst einmal nur simuliert und meinem Körper wurden weitere Markierungen hinzugefügt. Zunächst musste ich im Bestrahlungsraum auf einem schmalen Tisch Platz nehmen. Dort liegend sollte ich meine Beine anheben, damit man ein Kissen für die Lagerung darunter platzieren konnte. Glaubt es oder nicht, aber dazu war ich einfach nicht in der Lage. Die radiologische Assistentin musste mir dabei helfen.

Danach wurde mir das ganze Prozedere erklärt. Für die Dauer von ca. 20 Minuten musste ich mit den Armen über dem Kopf liegen. Der Kopf lag in einem Lagerungskissen und ich durfte mich nicht bewegen. Leider war es in diesem Raum furchtbar kalt. Da die Assistentinnen selbst dicke Strickjacken trugen, hatte ich gehofft, sie würden selbst erkennen, dass ein dünnes Laken auf meiner Jeans ungeeignet war, meinen entblößten Oberkörper die ganze Zeit lang warm zu halten.

Die beste Lagerung ist schnell im Eimer, wenn alles immer wieder neu positioniert wird bis Kopf und Arme irgendwann ganz nebenbei so liegen, dass es das genaue Gegenteil von angenehm ist. Langsam fühlte ich mich wie auf eine Schlachtbank geworfen. Ich lag auf meiner linken Pobacke, die rechte Hüfte tat weh, die linke Hand schlief ein und schließlich schmerzten die linke Schulter und der linke Oberarm so sehr, dass ich die gewünschte Regungslosigkeit nicht mehr beibehalten konnte.

Auf ein bisschen Verständnis wartete ich vergeblich. Eher das Gegenteil trat ein: Julia, die Nervensäge, die alles versaut! Also alles noch einmal von vorn und mit neuen Schmerzen, die so in dieser Form für mich völlig unerwartet eintraten.

Ich bin ja selbst Anästhesistin, versorge häufig Patienten in Notsituationen und habe dabei ebenfalls viel mit der Lagerung und dem Wohlbefinden meiner Patientinnen und Patienten zu tun. Auch mir und meinem Team fällt es nicht immer leicht, nett, zuvorkommend und verständnisvoll zu sein. Aber wir geben immer unser Bestes. Fühlen sich die uns Ausgelieferten gelegentlich auch wie der allerletzte Looser? Kommt es ihnen manchmal auch so vor, als wären sie bei uns nur lästig und unerwünscht?

Heute saß ich wie auf einer einsamen Insel. Viele Meilen entfernt zogen rettende Schiffe an mir vorüber. Irgendwo zwischen den eisigen Wellen trieb ein klappriges Floß. Ich muss wohl warten, bis es angeschwemmt wird.

Dieses Gefühl blieb den ganzen Tag. Auch deswegen fällt die heutige Punktzahl eher bescheiden aus.

5 Punkte