Mein wunderschönes und dennoch anstrengendes Wochenende hat bei mir einige Spuren hinterlassen. Ich war den ganzen Tag müde, lustlos und ich war auch ein bisschen traurig, weil meine Party mit all den lieben Freunden nun schon hinter mir liegt. Ich konnte mich nicht einmal dazu motivieren, wenigstens schwimmen zu gehen. Die Anziehungskraft meines Sofas war einfach zu groß. Ich sah nur ein bisschen fern und am Abend ließen sich André und ich noch einmal von Möhrchen in "Zoomania" mitreißen und verzaubern.
Ich erhole mich nur ganz langsam von meinem wunderbaren Wochenende.
Ich bin entsetzt, wie viel Zeit ich danach benötige, um wieder in meinen normal Alltag zurück zu finden. All die quälenden Nebenwirkungen sind schon wieder voll in Aktion: das Laufen fällt mir schwer, die Füße schmerzen, die Hände sind kraftlos und auch mein Haarwuchs ruht weiter vor sich hin. Ach ja, und unendlich müde bin ich auch. Ich werde nachts oft munter und das Aufstehen am Morgen ist ein kleiner Kraftakt. Das war eigentlich mal völlig anders.
Maggie Smith (Jahrgang 1934, eigentlich Margaret Natalie Smith Cross) zählt zu Großbritanniens berühmtesten Bühnen- und Filmdarstellerinnen ihrer Generation. Sie spielt häufig exzentrische Frauenfiguren und wurde bekannt mit Kinofilmen wie A Room With A View - Zimmer mit Aussicht (UK, 1985), Sister Act - Eine himmlische Karriere (USA, 1992), The First Wives Club - Der Club der Teufelinnen (USA, 1996), Gosford Park (UK/USA/Deutschland, 2001), und Harry Potter (7 von 8 Filmen, UK/USA, 2001 bis 2011). In Großbritannien hat sie darüber hinaus einen großen Anteil am Erfolg der seit Jahren laufenden Serie Downton Abbey.
Sie ist unter anderem zweifache Oscar- und Golden-Globe-Preisträgerin und erhielt für ihre Leistungen fünf britische BAFTAs.
1990 wurde sie durch Königin Elizabeth II in den Ritterstand erhoben und ist seitdem eine Dame Comander.
Maggie gilt als sehr medienscheu und gibt nur selten Interviews. Im Jahre 2008, sie war damals 74 Jahre alt, wurde bei ihr Brustkrebs entdeckt. Es folgten eine Operation mit anschließender Chemotherapie und Bestrahlung.
Trotzdem drehte Maggie weiter, obwohl es ihr sehr schlecht ging. Im Film Harry Potter And The Half-Blood Prince - Harry Potter und der Halbblutprinz (UK/USA, 2009) trägt sie eine Perücke. Diesen Umstand fand sie ganz praktisch. Sie sagte über sich selbst, ohne eigene Haare sähe sie aus wie ein Eierkopf.
Der Times gab sie im Oktober 2009 ein sehr offenes Interview über ihre Krankheit und darüber, welche Selbstzweifel und Unsicherheit diese in ihr ausgelöst hatten.
"Es war schrecklich. Der Krebs nimmt dir den Wind aus den Segeln, weil du nicht weißt, was und ob überhaupt dir die Zukunft noch was bereithält. Die meiste Zeit würde es dich nicht mal stören, einfach zu sterben."
(Maggie Smith, Oktober 2009)
Interview mit Maggie anlässlich ihres 80. Geburtstages am 28. Dezember 2014 (englisch, 8:34)
Maggie am 30. Oktober 2015 in der Graham Norton Show (englisch, 3:49)
Im Moment unternehme ich nicht viel. Meine Füße schmerzen, sind teilweise gefühllos und lassen mich das sogar beim Schwimmen spüren. Nichts Neues also. Deshalb liege ich oft mit einem guten Buch auf meiner Sonnenliege. Im Hinblick auf den Braunheitsgrad habe ich meinen Kaffee wohl bald überholt. Endlich mal wieder völlig normal funktionierende Hände und Füße zu haben, wäre mir dann aber doch sehr viel lieber.
Auch im Kino war ich mal wieder und habe deshalb einen neuen Tipp für euch: Ghostbusters (USA, 2016).
Es wurde im Vorfeld heiß um diesen Film diskutiert. Viele Fans des gleichnamigen Films von 1984 lehnten eine Neuverfilmung kategorisch ab, noch dazu mit Geisterjägerinnen. (Chauvinismus!) Andere Filmfans empfinden die neue Version als die beste überhaupt. Bildet euch einfach selbst eine Meinung und seht ihn euch an. Eines ist der Film auf alle Fälle: sehr unterhaltsam!
Drei Wissenschaftlerinnen (ja, wir Frauen können das richtig gut!) und eine Freundin wollen New York von Geistern befreien. Ein hochintelligenter Irrer hat diese Geister zum Leben erweckt und mit ihrer Hilfe will er die Stadt mit ihren Bewohnern auslöschen.
Die Geisterjägerinnen erleben den einen oder anderen Rückschlag, lassen sich aber nicht unterkriegen. Die ganz kleinen Nebenrollen sind überraschend gut besetzt, u.a. mit Sigourney Weaver und den Original-Geiserjägern Bill Murray und Dan Aykroyd.
Das Highlight des Films ist für uns Frauen eindeutig Chris Hemsworth als ziemlich dummer aber extrem gut aussehender Empfangsjunge der Ghostbusters. Selbst das Telefonieren ist für ihn ein fast nicht zu bewältigendes Problem. Aber wie er dabei aussieht ...
Noch ein wichtiger Hinweis: Bleibt nach dem Ende sitzen und seht euch den Abspann an! Chris Hemsworth rockt echt ab.
Meine Ergotherapeutin ist aus ihrem Urlaub zurück und somit hatte ich heute wieder meine Ergotherapie. Sie startete mit einer Fußmassage. War das eine Wohltat! Das hatte ich in den letzten Wochen vermisst, aber jetzt liegen noch acht weitere Termine vor mir und ich werde sie mit allen Fingern und Zehen genießen.
Kein guter Tag!
Die Nacht war eine kleine Katastrophe, ich ging gestern gegen 23:00 Uhr zu Bett und lag zwei Stunden später immer noch wach. Auch nachdem ich eingeschlafen war, brachte mir das keine Erholung. Ich wurde immer wieder mit schlimmen Hitzewellen munter und hatte dabei doch kalte Füße.
Natürlich war ich heute den ganze Tag lang müde und habe nichts zustande gebracht. André hat mich gut beim Faulenzen unterstützt. Doch für mich brachte der Tag nur schlappe ...
... fünf Punkte.
Im Moment wird es immer schlimmer. Ich schlafe wenig in der Nacht, erwache oft und sehne den Morgen herbei, denn dann ist dieses Drama beendet.
Heute war ich zu einer Party am See eingeladen. Ich traf viele nette Kolleginnen und Kollegen und ich wurde von allen ganz herzlich begrüßt, Momente, die ich sehr genossen habe. Ein ganz herzliches Dankeschön an den lieben Gastgeber! Es war ein schöner und unterhaltsamer Abend und als Bonus gab es einen traumhaften Sonnenuntergang.
Jetzt bin ich wieder (oder immer noch) unendlich müde und mir graut erneut vor der bevorstehenden Nacht. Das Spiel beginnt von vorn ...
Einfach mal gar nichts tun, den Tag auf dem Balkon verbringen, träge in der Sonne liegen und einen spannenden Thriller lesen! Ich war heute so müde, so faul, mehr war nicht möglich.
Am Abend reichte meine Energie gerade noch, um ein bisschen Hausarbeit zu erledigen. Also ein völlig unspannender Tag.
Meine Ergotherapeutin konzentrierte sich heute auf meine Fingerkuppen, an denen ich wieder stärkere Schmerzen habe. Beim Schreiben drückt der Stift so sehr auf die besonders sensiblen Gebiete rund um den Fingernagel, dass ich es kaum aushalte. Sie versuchte mit einer Massage und mit Vibrationen für Linderung zu sorgen.
Am Ende wurden auch noch meine Füße mit einer Massage belohnt.
Da der Sommer eine kleine Pause einlegt, habe ich meine Bücher zur Seite gelegt und bin ins Kino gegangen: Suicide Squad (USA, 2016) - ein cineastisches Spektakel.
Gotham City. Superman ist tot. Dadurch ist die Welt eine andere. Retter werden gebraucht, um die Menschheit vor Schlimmem zu bewahren. Deshalb stellt die Geheimagentin Amanda Waller ein Specialteam zusammen. Sie will auf die ganz Bösen in der Stadt bauen, die alle im Hochsicherheitstrakt gefangen sind. Bei der Vorstellung der Mitglieder des Teams kann sich der Zuschauer gleich seinen liebsten Bösewicht aussuchen. Die sehr illustre Truppe ahnt schnell, dass sie ein Himmelfahrtskommando ist. Sie alle würden wohl am liebsten das Weite suchen. Aber so einfach ist das nicht, denn Frau Waller verfügt über knallharte Argumente, warum sie sich diesem Kampf stellen müssen.
Wer verrückte Helden, ausgestattet mit übernatürlichen Kräften und coolen Sprüchen in einem unterhaltsamen Actionspektakel ohne viel Sinn mag, wird hier allerbestens unterhalten. Mit dabei sind unter anderen Will Smith und Ben Affleck, der als Batman sogar etwas sagen darf. Ich habe mich schnell auf den Film und seine Story eingelassen.
Liebe Krebskillerinnen, liebe Leserinnen und Leser, liebe Freunde,
meinen Blog gibt es nun schon seit August 2015. Ich lebe also schon etwa ein Jahr mit meiner Diagnose und inzwischen kann ich es problemlos aussprechen:
ICH HABE BRUSTKREBS!
Die Chancen, den Krebs zu besiegen, sind sehr gut. Dafür habe ich in den letzten Monaten alles gegeben. Es gab lange Strecken, in denen mir das Kämpfen sehr schwer fiel, aber ich habe nie aufgegeben. Das habe ich auch in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren nicht vor, auch wenn der triple-negative Krebs grundsätzlich eine schlechtere Prognose hat als andere Brustkrebsarten.
Fast täglich konntet ihr erfahren, was passiert ist. Vieles davon ging nicht spurlos an mir vorüber. Es gibt mehr Fältchen im Gesicht, meine nachwachsenden Haare sind nicht mehr dunkelbraun, sondern schwarz und durchzogen von grauen Strähnchen. Meine Brust ist alles andere als perfekt. Das interessiert mich wirklich nicht und André kommt hervorragend damit klar - sagt er.
Ich habe euch seit einem Jahr über meinen Alltag informiert - die Diagnose, die Operation, die Chemotherapie, die Bestrahlungen und die Therapien danach. Aber die traurige Realität ist: ich komme einfach nicht weg von meinen sechs Wohlfühlpunkten. Mich nervt es, dass ich euch nie mit schnellen gesundheitlichen Fortschritten überraschen konnte und euch langweilt es, täglich immer wieder "6 Punkte" lesen zu müssen.
Ich bin jetzt im Danach angekommen. Deshalb möchte ich das Bloggen etwas reduzieren. In Zukunft werdet ihr immer noch mindestens alle drei Tage etwas von mir lesen können. Ihr müsst also maximal zwei aufeinanderfolgende Tage ohne Lebenszeichen von mir ertragen. Die Punktevergabe werde ich ganz einstellen. Dafür gibt es aber noch einmal ein Wohlfühldiagramm:
Ich möchte es nicht versäumen, euch an dieser Stelle auf ein Interview mit mir hinzuweisen, das ihr ab dem 24. August (dem ersten Jahrestag meiner Diagnose) hier lesen könnt.
Eure Krebskillerin wird unbeirrt weiterkämpfen. Bitte bleibt mir treu, drückt mir weiterhin die Daumen, seid neugierig auf das Interview und seid ganz herzlich gegrüßt von eurer
Krebskillerin Julia
Hier kommt der erste Teil des bereits angekündigten Interviews. Viel Spaß beim Lesen!
Julia, du hast am 24. August 2015 die Horrordiagnose Brustkrebs erhalten. Herzlichen Dank, dass du bereit bist, dich heute, zwölf Monate später, einem Interview zu stellen. Die erste Frage ist mir ein persönliches Bedürfnis:
Wie würdest du jemandem, der deinen Blog (noch) nicht vollständig gelesen hat, kurz beschreiben, wie es dir heute, ein Jahr nach der Diagnose, geht?
Herzlichen Dank für die Einladung zu diesem Interview!
Hinter mir liegt eine schwere Zeit. Die Chemotherapie und die Bestrahlungen waren sehr anstrengend für mich. Eigentlich bin da sehr gut durchgekommen. Ich leide immer noch unter zwar wenigen, aber für mich sehr belastenden Nebenwirkungen, die meine Lebensqualität beeinträchtigen.
Meine Haare auf dem Kopf wachsen seit ein paar Monaten gar nicht mehr. Das belastet mich sehr, da ich bei jedem Blick in den Spiegel diese von der Chemotherapie geplagte Frau erblicke. Abgesehen davon, gefalle ich mir mit den kaum mehr als 25 Millimeter kurzen Haaren überhaupt nicht. Ich fühle mich nicht wohl damit, das bin nicht ich. Deshalb gehe ich grundsätzlich nur mit einer Perücke außer Haus.
Am schlimmsten sind die Gefühlsstörungen in den Fingern. Da ich als Anästhesistin mit viel Gefühl in den Händen arbeiten muss, ist das für mich eine kleine Katastrophe. Wenn ich blind eine unebene Oberfläche ertaste, ist es für mich noch nicht möglich zu erkennen, was es ist. Mit den Füßen ist es ähnlich. Die Schmerzen in den Zehen nehmen bei langem Stehen oder Laufen schnell zu.
Und die Hitzewellen! Sie sind für Patientinnen mit einem Mammakarzinom ein Thema ohne Ende. Sie erwischen mich eiskalt von einem Moment zum anderen - spontan und unvorhersehbar. Ich bekomme einen roten Kopf und der Schweiß rinnt mir über das Gesicht. Besonders unangenehm ist das, wenn ich nicht alleine bin. Sie plagen mich auch nachts. Dann schlafe ich schlecht und auch nur wenig.
Naja, meine Psyche schwankt auch noch etwas. Mal ist alles okay und dann bin ich wieder tagelang in einem Tief und nur mit mir und meiner Krankheit beschäftigt.
Insgesamt will ich mich aber nicht beklagen. Wenn das der Preis für mein Überleben und für viele schöne Jahre ist, die hoffentlich noch vor mir liegen, dann ist das okay.
Ist der erste "Jahrestag" deiner Diagnose für dich ein Grund zum Feiern oder doch eher ein Grund zum Heulen?
Der 24. August ist für mich eigentlich kein besonderer Tag. Klar, vor einem Jahr bekam ich die Diagnose und mein Leben hat sich von einem Moment zum anderen geändert. Trotzdem muss ich an diesem Tag weder feiern noch heulen. Vielleicht denke ich an diesen Tag zurück und ziehe ein Resümee der letzten 12 Monate. Wahrscheinlich habe ich damals nicht angenommen, dass es mir heute wieder so gut geht.
Auf deiner Internetseite ist zu erkennen, dass du mit deinem Blog sehr schnell nach der Diagnose begonnen hast.
Was war dafür deine Motivation?
Dafür gab es mehrere Gründe. Ich bin eine Vielleserin und wollte auch schon immer gern mal etwas schreiben. Aber ich hatte weder die Zeit noch eine gute Idee dafür. Es gibt ja schon genügend gute und schlechte Bücher, bestimmt wartet niemand auf eines von mir. Jetzt konnte ich aber endlich etwas schreiben, was in gewisser Weise einmalig ist, weil es mich persönlich betrifft.
Ich wollte auch unbedingt meine Erfahrungen mit anderen Betroffenen und deren Angehörigen teilen - in der Hoffnung, dass ich ihnen damit ein bisschen helfen kann. Der dritte Grund war schließlich, dass ich auf diese Weise meine Freunde und Kollegen auf dem Laufenden halten und mich im persönlichen Gespräch mit ihnen auf schönere Dinge konzentrieren konnte. Das alles hat wunderbar geklappt.
Schon bei den ersten Einträgen habe ich gemerkt, dass mir das Schreiben persönlich sehr hilft, es wurde auch für mich eine Art Therapie und ich musste mich mit vielen Dingen ausführlich auseinandersetzten - ob ich es wollte oder nicht.
Dabei kam nun ein wunderbares Tagebuch für mich heraus. Ich habe etwas, woran ich mich festhalten, womit ich jederzeit meine Erlebnisse nachvollziehen kann, die guten und die schlechten. Das ist für mich ein positives Nebenprodukt meines Blogs.
Eine sehr indiskrete Frage: Wieviel verdient man mit dem Betreiben einer solchen Internetseite und wofür verwendest du die Einnahmen?
Ich verdiene gar nichts damit. Meine Seite ist werbefrei und Sponsoren haben mich auch noch nicht entdeckt. Es ist also eine freiwillige Tätigkeit, die sehr viel freie Zeit erfordert, aber auch großen Spaß macht.
Inzwischen ist deine Leserschaft deutlich gewachsen. Deine Leser sind naturgemäß überwiegend weiblich und besuchen deine Seite mehrheitlich häufiger als nur einmal. Etwa ein Achtel von ihnen stammt sogar aus nicht deutschsprachigen Ländern, wie Russland, den USA, Großbritannien, Frankreich, China, Japan und Brasilien, aus insgesamt 76 Ländern aller Kontinente. Beeindruckend! Nur die allerwenigsten von ihnen kennst du auch persönlich. Einige von ihnen schreiben dir hin und wieder über dein Kontaktformular.
Was bedeutet dir das und schaffst du es noch, alle Mails zu beantworten?
Ich freue mich immer sehr und finde es toll, wenn ich Zuschriften bekomme. Dann weiß ich, mein Blog wird wirklich gelesen. Ich habe bis jetzt nur deutschsprachige Mails aus deutschsprachigen Ländern erhalten. Ich beantworte sie alle. Das ist mir wichtig, denn oft haben die Leser viele Fragen und die möchte ich ihnen beantworten so gut ich kann.
Daraus haben sich sogar ein paar engere Kontakte und Freundschaften entwickelt. Wir haben dann das Gefühl, nicht allein zu sein. Wir können sehr offen und ehrlich miteinander reden und lassen unseren Gefühlen freien Lauf. Das tut uns gut. Damit hatte ich nicht unbedingt gerechnet und ich finde es super. Der Blog hilft also anderen Betroffenen genauso wie mir selbst.
Was sind die häufigsten Themen, mit denen sich andere Betroffene oder deren Angehörige an dich wenden?
Da gibt es einen klaren Trend. Ängste stehen an erster Stelle, besonders die Angst davor, wie das Leben weitergehen soll. Es sind die essenziellen Fragen, so wie bei mir, als ich meine Diagnose erhielt, die völlige Hilflosigkeit und Ratlosigkeit. Es gibt aber auch Fragen zum Alltag während der Chemotherapie und sehr viele Fragen zur Perücke: wo bekomme ich eine her, wie pflege ich sie, was sollte ich vermeiden. Auch Fragen zur Ernährung oder zur Hautpflege während der Bestrahlungen werden gestellt.
Du erinnerst dich also noch an den Moment, als dir klar wurde, dass du Brustkrebs hast, an die damit verbundenen Emotionen und an die Fragen, die sich dir damals stellten?
Ja, daran kann ich mich noch gut erinnern. Solch einen Tag mit so einer niederschmetternden Diagnose vergisst wahrscheinlich niemand.
Plötzlich hatte ich nur noch ANGST! Angst vor einem kurzen, nicht lebenswerten Leben, Angst vor einer harten Therapie, Angst davor, meine Freunde zu verlieren, Angst vor Schmerzen, ...
Ich könnte da unendlich viele Sachen aufzählen. Das Schlimmste war die Angst vor dem Tod. Die Situation bedeutete für mich den kompletten Verlust der Kontrolle über mein Leben. Das kannte ich bis dahin noch nicht. Mich ergriff grenzenlose Panik und ich fühlte mich völlig ratlos. Wie würde ich die Chemotherapie verkraften und die Bestrahlungen? Der Gedanke an den bevorstehenden Haarverlust ließ endlose Tränenströme ausbrechen. Mich quälten Fragen nach der Zukunft. Würde ich je das Leben wieder genießen können, würde ich körperliche Beeinträchtigungen behalten und hat das alles überhaupt einen Sinn …
Die Prognose mit dem triple-negativen Tumor ist nicht die beste. Das ließ mich nie wirklich los - weder am Tag noch in der Nacht.
(Fortsetzung folgt am 31. August)
Ich hoffe, ihr seid noch etwas neugierig darauf, was es von mir zu berichten gibt.
Vorgestern war ich wieder bei meiner Ergotherapeutin und bekam die Fingerspitzen und die Füße massiert. Dabei fiel mir auf, dass meine Füße besser werden und in meinen Fingern ist auch mehr Gefühl als noch vor ein paar Wochen. Was für ein Erfolg!
In dieser Woche fand auch die monatliche Konsultation bei Frau Dr. O. statt und dank ihrer Unterstützung werde ich in der nächsten Woche zu einer Psychologin gehen.
Ich habe mich in dieser Woche mit Freunden getroffen, war zum ersten Mal seit einem Jahr im Freibad und habe dort die Sonne genossen und ... ich war bei "meiner Coiffeuse" zum Haare schneiden! Nachdem André meinte, ich sähe ziemlich wild auf dem Kopf aus, ging ich zu der Frau meines Vertrauens in allen Frisurfragen. Danach sah ich ganz gut aus, gestylt mit Haarwachs, und ich erhielt spezielle Schminktipps für die Kurzhaarfrisur. Nun muss ich nur noch den Mut aufbringen, ohne Perücke das Haus zu verlassen ...
Hinter mir liegt ein relaxtes und entspanntes Wochenende. André und ich haben das schöne Wetter genutzt, um unsere weitere Umgebung besser kennenzulernen. Leider war ich jeden Tag und fast jede Stunde von Schmerzen geplagt: Hüftgelenke, Sprunggelenke oder in den Händen. Ohne Schmerzmittel und Cortison kam ich gar nicht richtig in Fahrt. Das alles macht mir doch Angst und hat ein paar Schatten auf die sonnigen Stunden geworfen.
In der eidgenössischen Bundesstadt Bern findet am 11. September auf dem Bundesplatz ein großes Spektakel statt und ... ich bin dabei! Das RACE FOR LIFE ist eine Radtour für den guten Zweck. Auf einer 5-km-Runde oder einer etwas anspruchsvolleren 15-km-Runde durch die traumhaft schöne Berner Altstadt (mit Start und Ziel auf dem Bundesplatz) kann man seine Verbundenheit mit allen vom Krebs betroffenen Menschen zum Ausdruck bringen. Auf der Veranstaltung kann man sich direkt bei Fachleuten zum Thema Krebs informieren, mit anderen Gedanken austauschen und natürlich auch spenden. Für die Kleinen gibt es Spiel, Spaß und Abenteuer, für die Großen Shows und Konzerte.
Zusammen mit André habe ich extra dafür das Krebskillerin-Team gegründet:
Auch DU kannst uns dabei unterstützen. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten:
Mehr Informationen erhältst du gern von mir über mein Kontaktformular und natürlich auch direkt auf der Internetseite des RACE FOR LIFE, wo du auch einiges über unsere Motivation für die Unterstützung des Events erfährst. Schließe dich dem Krebskillerin-Team an! Ich freue mich auf dich.
Wie versprochen, gibt es heute den zweiten Teil des Interviews. Bitte überseht aber nicht meinen Artikel von gestern zu einem Projekt, das mir wirklich sehr am Herzen liegt!
(Fortsetzung vom 24. August)
Jeder weiß, dass Brustkrebs-Therapien kein Zuckerschlecken sind. Damit verbundene Nebenwirkungen können von Patientin zu Patientin sehr verschieden sein. Immer wieder (auch in deiner Serie über berühmte Patientinnen) ist von Frauen zu lesen, die im Nachhinein die Zeit der Chemo und Bestrahlungen als weniger schlimm empfinden als die Monate der Nebenwirkungen danach.
Wie beurteilst du diesbezüglich den bisherigen Verlauf deiner Therapien?
Gute Frage! Vor ein paar Wochen hätte ich da bestimmt noch eine andere Antwort gegeben als heute.
Ich hatte während der Chemotherapie ein bisschen Pech und hatte mir zweimal einen Infekt eingefangen, der mich stark belastet und zurückgeworfen hat und die Zeit der Therapie verlängerte. Da ging es mir extrem schlecht.
Während der Chemotherapie und der Bestrahlungen war trotzdem immer ein Ende absehbar und ich wusste immer im Voraus, an welchen Tagen ich stark eingeschränkt bin und wann ich fit genug bin, um mich auch mal verabreden zu können.
Jetzt habe ich die bereits beschriebenen Nebenwirkungen und niemand kann mir sagen, ob ich die Sensibilitätsstörungen für immer behalten werde oder nicht, wann endlich meine Haare weiterwachsen und all sowas. Ich bin auch nicht jeden Tag gleich belastbar, das ist immer noch eine Art Wundertüte. Ich stimme aber gern diesen Damen zu, dass die Zeit nach den Therapien irgendwie anstrengender ist, da niemand weiß, wie es ausgeht und ich jeden Tag die gleichen Leiden habe, ohne große spürbare Verbesserungen.
Wenn du das vergangene Jahr ein zweites Mal durchleben müsstest, was würdest du grundlegend ändern?
Ich würde nichts ändern, auch wenn ich noch länger darüber nachdenke. Es lief alles (natürlich den Umständen entsprechend) sehr gut!
Gibt es wichtige Erfahrungen, die du gern an andere Brustkrebspatientinnen weitergeben möchtest, die noch ganz am Anfang ihrer Therapie stehen?
Ich denke, die meisten von uns müssen lernen, Hilfe für Dinge anzunehmen, die man bisher allein bewältigt hat, auch wenn es schwerfällt. Ich spreche da aus Erfahrung.
Ein Rat, den ich oft gebe: wenn ihr eurem Arzt nicht vertraut oder die gewisse "Chemie" zwischen Arzt und Patient nicht stimmt, dann sollte man unbedingt den Arzt wechseln. In so einer schwierigen Zeit ist es besonders wichtig, dass der behandelnde Arzt ein enger Vertrauter ist, an den man sich jederzeit mit Fragen und Problemen wenden kann.
Bei allen Unklarheiten, welcher Art auch immer, sollte man ganz gezielt nachfragen. Nichts quält schlimmer als Ungewissheit, egal ob bei kleineren oder größeren Fragen.
Und: Lasst euch fallen, relaxt und chillt, wann immer ihr wollt oder so oft ihr könnt. Macht einfach alles, was euch guttut oder Spaß bereitet.
Wenn man deinem Blog glauben darf, waren die Menschen in deinem persönlichen Umfeld bereit, dich in der so schwierigen Phase deines Lebens zu unterstützen. Familiär bewegt sich bei dir alles in gewohnten Bahnen und offenbar hast du sogar neue Freunde hinzugewonnen. Von anderen Betroffenen ist gelegentlich zu lesen, dass sie in der Zeit ihrer Therapie Freunde verlieren, manchmal zerbrechen sogar ganze Familien.
Welche Art der Unterstützung war dir am wichtigsten und worauf sollten Angehörige oder Freunde besser verzichten?
André war mein Fels, er war immer für mich da und hat versucht, mir jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Er hat mich immer ertragen, egal, wie ich aussah oder wie ich mich gerade fühlte. Bei ihm konnte ich mich ausweinen, frustriert sein, das Essen verweigern, tagelang fast reglos auf dem Sofa liegen, um einen Film nach dem anderen zu sehen. Ohne ihn hätte ich das alles nicht so gut überstanden.
Meine Freunde habe ich gesehen, wenn ich mich gut genug dafür gefühlt habe. Auch bei ihnen fand ich immer einen Halt und konnte meinen Frust, meine Ängste und Sorgen ablassen. Sie haben immer zugehört, hatten mal einen Tipp für mich und haben mir damit auch geholfen.
Wenn man als Angehöriger oder Freund in so einer Situation helfen will, ist es oft gar nicht so schwierig. Man sollte versuchen, auf die Wünsche der Patientin einzugehen, ihnen aber auf keinen Fall Hilfe aufdrängen, einfach Geduld haben, auch wenn Termine einmal abgesagt werden. Kleine Gesten sind auch schön: einfach mal kurz anrufen oder eine kurze Mail, nur um zu zeigen, da denkt jemand an dich. Das tröstet sehr.
Verheimlichst du uns die bösen Seiten der Wahrheit, um Optimismus zu verbreiten, oder hast du für andere Betroffene ein paar Geheimtipps parat?
Ehrlich, es ist alles so, wie es im Blog steht. Ich hatte offensichtlich von Anfang an die richtigen Freunde. Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass auch neue hinzukommen würden. Das war eine echte Überraschung. Ich bin unendlich stolz darauf und möchte allen an dieser Stelle nochmals ganz herzlich für ihren Einsatz und ihre Geduld mit mir danken!!!
Auch in meiner Situation zählt, was für alle guten Freundschaften gilt: man muss sie pflegen. Das kann ich jetzt besser als früher, ich habe einfach mehr Zeit dafür. Besonders die positiven Phasen habe ich dafür nutzen wollen und alle haben sich darauf eingestellt. Zeitlich war ich dennoch sehr flexibel und das war ein gutes Gefühl. Wenn ich doch mal kurzfristig absagen musste, habe ich aus dem Grund dafür kein Geheimnis gemacht.
Viele meiner Freunde habe ich sogar öfter gesehen als vor meiner Erkrankung. Mit manchen habe ich stundenlang telefoniert, andere etablierten sich als geniale E-Mail-Schreiber.
Das heißt, du konntest den letzten zwölf Monaten sogar ein paar positive Aspekte abringen?
Unglaublich, aber wahr: ja, es gab sogar noch mehr Positives! Ich habe viele Bücher gelesen, konnte lesen, so lange ich wollte und ich war sehr oft im Kino, wo mich eine Art Flatrate-Ticket zu einer Stammkundin gemacht hat.
In einem speziellen Kurs habe ich das richtige Schminken gelernt, wovon ich nicht nur in meiner haarlosen Zeit profitiert habe. Ich konnte das Wellnessen für mich entdecken, konnte mir entspannt Eishockeyspiele ansehen und - das Beste - ich hatte endlich mal viel Zeit für meine Freunde. Das habe ich intensiv genutzt, wenn es mir dafür gut genug ging.
(Fortsetzung folgt am 07. September)