Das große Krebskiller-Interview (Teil 2)

Teil 2

Wie versprochen, gibt es heute den zweiten Teil des Interviews. Bitte überseht aber nicht meinen Artikel von gestern zu einem Projekt, das mir wirklich sehr am Herzen liegt!

(Fortsetzung vom 24. August)

Jeder weiß, dass Brustkrebs-Therapien kein Zuckerschlecken sind. Damit verbundene Nebenwirkungen können von Patientin zu Patientin sehr verschieden sein. Immer wieder (auch in deiner Serie über berühmte Patientinnen) ist von Frauen zu lesen, die im Nachhinein die Zeit der Chemo und Bestrahlungen als weniger schlimm empfinden als die Monate der Nebenwirkungen danach.

Wie beurteilst du diesbezüglich den bisherigen Verlauf deiner Therapien?

Gute Frage! Vor ein paar Wochen hätte ich da bestimmt noch eine andere Antwort gegeben als heute.

Ich hatte während der Chemotherapie ein bisschen Pech und hatte mir zweimal einen Infekt eingefangen, der mich stark belastet und zurückgeworfen hat und die Zeit der Therapie verlängerte. Da ging es mir extrem schlecht.

Während der Chemotherapie und der Bestrahlungen war trotzdem immer ein Ende absehbar und ich wusste immer im Voraus, an welchen Tagen ich stark eingeschränkt bin und wann ich fit genug bin, um mich auch mal verabreden zu können.

Jetzt habe ich die bereits beschriebenen Nebenwirkungen und niemand kann mir sagen, ob ich die Sensibilitätsstörungen für immer behalten werde oder nicht, wann endlich meine Haare weiterwachsen und all sowas. Ich bin auch nicht jeden Tag gleich belastbar, das ist immer noch eine Art Wundertüte. Ich stimme aber gern diesen Damen zu, dass die Zeit nach den Therapien irgendwie anstrengender ist, da niemand weiß, wie es ausgeht und ich jeden Tag die gleichen Leiden habe, ohne große spürbare Verbesserungen.

Wenn du das vergangene Jahr ein zweites Mal durchleben müsstest, was würdest du grundlegend ändern?

Ich würde nichts ändern, auch wenn ich noch länger darüber nachdenke. Es lief alles (natürlich den Umständen entsprechend) sehr gut!

Gibt es wichtige Erfahrungen, die du gern an andere Brustkrebspatientinnen weitergeben möchtest, die noch ganz am Anfang ihrer Therapie stehen?

Ich denke, die meisten von uns müssen lernen, Hilfe für Dinge anzunehmen, die man bisher allein bewältigt hat, auch wenn es schwerfällt. Ich spreche da aus Erfahrung.

Ein Rat, den ich oft gebe: wenn ihr eurem Arzt nicht vertraut oder die gewisse "Chemie" zwischen Arzt und Patient nicht stimmt, dann sollte man unbedingt den Arzt wechseln. In so einer schwierigen Zeit ist es besonders wichtig, dass der behandelnde Arzt ein enger Vertrauter ist, an den man sich jederzeit mit Fragen und Problemen wenden kann.

Bei allen Unklarheiten, welcher Art auch immer, sollte man ganz gezielt nachfragen. Nichts quält schlimmer als Ungewissheit, egal ob bei kleineren oder größeren Fragen.

Und: Lasst euch fallen, relaxt und chillt, wann immer ihr wollt oder so oft ihr könnt. Macht einfach alles, was euch guttut oder Spaß bereitet.

Wenn man deinem Blog glauben darf, waren die Menschen in deinem persönlichen Umfeld bereit, dich in der so schwierigen Phase deines Lebens zu unterstützen. Familiär bewegt sich bei dir alles in gewohnten Bahnen und offenbar hast du sogar neue Freunde hinzugewonnen. Von anderen Betroffenen ist gelegentlich zu lesen, dass sie in der Zeit ihrer Therapie Freunde verlieren, manchmal zerbrechen sogar ganze Familien.

Welche Art der Unterstützung war dir am wichtigsten und worauf sollten Angehörige oder Freunde besser verzichten?

André war mein Fels, er war immer für mich da und hat versucht, mir jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Er hat mich immer ertragen, egal, wie ich aussah oder wie ich mich gerade fühlte. Bei ihm konnte ich mich ausweinen, frustriert sein, das Essen verweigern, tagelang fast reglos auf dem Sofa liegen, um einen Film nach dem anderen zu sehen. Ohne ihn hätte ich das alles nicht so gut überstanden.

Meine Freunde habe ich gesehen, wenn ich mich gut genug dafür gefühlt habe. Auch bei ihnen fand ich immer einen Halt und konnte meinen Frust, meine Ängste und Sorgen ablassen. Sie haben immer zugehört, hatten mal einen Tipp für mich und haben mir damit auch geholfen.

Wenn man als Angehöriger oder Freund in so einer Situation helfen will, ist es oft gar nicht so schwierig. Man sollte versuchen, auf die Wünsche der Patientin einzugehen, ihnen aber auf keinen Fall Hilfe aufdrängen, einfach Geduld haben, auch wenn Termine einmal abgesagt werden. Kleine Gesten sind auch schön: einfach mal kurz anrufen oder eine kurze Mail, nur um zu zeigen, da denkt jemand an dich. Das tröstet sehr.

Verheimlichst du uns die bösen Seiten der Wahrheit, um Optimismus zu verbreiten, oder hast du für andere Betroffene ein paar Geheimtipps parat?

Ehrlich, es ist alles so, wie es im Blog steht. Ich hatte offensichtlich von Anfang an die richtigen Freunde. Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass auch neue hinzukommen würden. Das war eine echte Überraschung. Ich bin unendlich stolz darauf und möchte allen an dieser Stelle nochmals ganz herzlich für ihren Einsatz und ihre Geduld mit mir danken!!!

Auch in meiner Situation zählt, was für alle guten Freundschaften gilt: man muss sie pflegen. Das kann ich jetzt besser als früher, ich habe einfach mehr Zeit dafür. Besonders die positiven Phasen habe ich dafür nutzen wollen und alle haben sich darauf eingestellt. Zeitlich war ich dennoch sehr flexibel und das war ein gutes Gefühl. Wenn ich doch mal kurzfristig absagen musste, habe ich aus dem Grund dafür kein Geheimnis gemacht.

Viele meiner Freunde habe ich sogar öfter gesehen als vor meiner Erkrankung. Mit manchen habe ich stundenlang telefoniert, andere etablierten sich als geniale E-Mail-Schreiber.

Das heißt, du konntest den letzten zwölf Monaten sogar ein paar positive Aspekte abringen?

Unglaublich, aber wahr: ja, es gab sogar noch mehr Positives! Ich habe viele Bücher gelesen, konnte lesen, so lange ich wollte und ich war sehr oft im Kino, wo mich eine Art Flatrate-Ticket zu einer Stammkundin gemacht hat.

In einem speziellen Kurs habe ich das richtige Schminken gelernt, wovon ich nicht nur in meiner haarlosen Zeit profitiert habe. Ich konnte das Wellnessen für mich entdecken, konnte mir entspannt Eishockeyspiele ansehen und - das Beste - ich hatte endlich mal viel Zeit für meine Freunde. Das habe ich intensiv genutzt, wenn es mir dafür gut genug ging.

(Fortsetzung folgt am 07. September)