Krebskiller-Interview 2018 (Teil 1)

Krebskiller-Interview, Teil 1

Julia, du siehst aus wie das blühende Leben. Hast du gerade deinen Urlaub hinter dir?

Danke für das Kompliment! Hinter mir liegt ein erlebnisreicher Sommer. Im Juni und Juli waren André und ich viel in Europa unterwegs. Daran schlossen sich sehr aktive Wochen an. Ich war mindestens jeden zweiten Tag schwimmen. Das hat mir unglaublich viel Spaß gemacht und ich konnte meine Leistungen kontinuierlich steigern. Dieser Sommer war einfach MEIN Sommer! Ich mag die Hitze und kühle mich dann gern im Freibad ab. Aber inzwischen bin ich wieder im Alltag mit meinem normalen Arbeitspensum gelandet. Trotzdem schaffe ich es noch, regelmäßig dreimal pro Woche schwimmen zu gehen.

Weil sich deine Brustkrebs-Diagnose zum drittem Mal jährt, möchte ich dir gern wieder ein paar Fragen stellen. Stört es dich eigentlich, wenn du immer mal wieder, so wie jetzt von mir, auf deine Krankheit angesprochen wirst?

Nein, gar nicht. Ich habe ja den Blog und somit bin ich immer für alle meine Leserinnen und Leser erreichbar. Ich beantworte weiterhin alle Fragen, die mir dazu gestellt werden, also auch deine.

Gut, dann lass uns loslegen. Was würdest du selbst über dich sagen: "ich HABE Brustkrebs" oder "ich HATTE Brustkrebs"?

Schwierige Frage! Gerade an Tagen wie gestern, als ich plötzlich sehr unangenehme Schmerzen in meinem Operationsgebiet hatte, weiß ich, dass es noch nicht ganz vorbei ist. Ich tendiere dazu zu sagen, dass ich Brustkrebs habe.

Das tut mir leid. Wie oft hast du denn noch solche Schmerzen?

Selten. Ich bin jedes Mal überrascht, wenn dort etwas wehtut. Natürlich gehen mir dann die verschiedensten Gedanken durch den Kopf. Sofort kommen Angst und Panik vor einem neuen Tumor zurück. Wahrscheinlich hat aber meine Gynäkologin Recht, wenn sie sagt, dass sich ein Wetterumschwung auf diese Weise in meinem Körper bemerkbar macht. Klingt seltsam, stimmt aber vielleicht.

Hat deine Krankheit oder auch die hammerharte Therapie noch andere Folgen hinterlassen, an denen du immer noch leidest?

Ja, ich plage mich weiterhin mit Gefühlsstörungen in den Zehen des linken Fußes. Manchmal spüre ich sie gar nicht, beispielsweise beim Schwimmen. Oder bei niedrigen Temperaturen merke ich oft viel zu spät, dass mein Fuß total kalt ist. Erst kürzlich hatte ich da ein ganz merkwürdiges Erlebnis.

Erzähle!

Ich bin mit dem kleinen Zeh ganz heftig gegen den Fuß eines Sofas gestoßen. Im ersten Moment tat es gar nicht weh, aber als ich meinen Fuß sah, traf mich der Schock. Der Zeh stand im 45°-Winkel nach außen ab, er war aus dem Gelenk gerissen. Da habe ich von meinem medizinischen Wissen profitiert und konnte ihn mir zum Glück gleich selbst wieder einrenken und einen Verband anlegen. Doch der Schmerz kam wirklich erst später.

Oje, das tut ja schon beim Zuhören verdammt weh. Und sonst?

Naja, es gibt noch etwas, das sich verändert hat. Meine Verdauung ist nicht mehr so robust wie früher. Vor meiner Erkrankung konnte ich alles essen und hatte nie Probleme. Jetzt bekomme ich manchmal ganz plötzlich krampfartige Bauchschmerzen, gepaart mit Durchfall und dies hält dann ein paar Stunden an. Extrem scharfes Essen, aber auch Gerichte, die mit Curry oder Koriander gewürzt sind, vertrage ich ganz schlecht. Ich bekomme dann Bauchweh, muss stundenlang aufstoßen und werde damit immer wieder an diesen Geschmack erinnert.

Im letzten Jahr war ich zu einer Routinekoloskopie (Darmspiegelung). Dort konnte nur eine leicht unspezifische Entzündung des Darmes festgestellt werden. Ich muss jetzt neu lernen, welche Nahrungsmittel mir Probleme bereiten, um diese dann zu meiden. Aber ich will auch nicht jammern, dafür gibt es keinen Grund. Die wenigen Beeinträchtigungen nehme ich gern in Kauf, wenn ich dafür den Krebs besiegt haben sollte! Also eigentlich geht es mir richtig gut.

Schön, dass du das so siehst. Gut, das waren erst mal die gesundheitlichen Aspekte. Hat sich auch in deinem Job etwas verändert?

Ja, aber das war eher ein schleichender Prozess. Richtig aufgefallen ist mir das erst im Laufe des letzten Jahres. Manchmal gibt es einen Moment, in dem sich in meinem Umfeld eine mehr oder weniger große Verärgerung aufbaut. Oft denke ich dann: "Was regt ihr euch so auf? Es gibt echt Schlimmeres!" Der Vorteil ist, ich bin jetzt in solchen Situationen viel besonnener und weniger emotional als früher. Manchmal kann ich sogar anderen bei der Konfliktbewältigung helfen.

Meine Patienten profitieren von meiner neuen, ruhigeren Art wohl am meisten. Ich nehme mir im Gespräch mehr Zeit und achte darauf, dass jeder Patient alles versteht, was ich erläutere. Gern lasse ich mich so lange ausfragen, bis alle beruhigt sind und sämtliche Unklarheiten beseitigt sind. Und weißt du was, das macht sogar auch richtig Spaß und gibt mir eine innere Befriedigung, die mit nichts zu vergleichen ist.

Und auch André hat mir bestätigt, dass ich oft ruhiger und gelassener reagiere als früher.

Klingt spannend. Und damit sind wir automatisch bei der nächsten Frage: Wie hat der Brustkrebs dein Privatleben beeinflusst?

Da hat sich im letzten Jahr eigentlich nichts mehr verändert. Ich genieße mein Leben anders als vor meiner Erkrankung. Besonders die kleinen Momente machen mir viel Spaß und geben mir Kraft: gemütliche Stunden mit André, Zeit verbringen mit Freunden, ein Buch im Café lesen - alles unvergleichlich schön! In diesem Jahr haben André und ich schon viele Konzerte genossen und die Musik unserer Helden live erlebt. Das ist und bleibt für uns nicht nur emotional der absolute Wahnsinn!

(Fortsetzung folgt am 2. September)