(Fortsetzung vom 24. August)
Im Interview vor einem Jahr sagtest du: "Wenn ich fünf Jahre ohne Metastasen überstanden habe, stehen meine Chancen gut, uralt zu werden." Die ersten zwei hast du jetzt überstanden.
Siehst du das eher als tollen Zwischenerfolg oder eher als großes Glück?
Interessante Frage! Hmm, ich denke, beides trifft zu. Ich habe großes Glück und natürlich ist es auch ein toller Zwischenerfolg.
Achtung! Jetzt wird es sehr direkt und sehr persönlich. Darf ich?
Ich ziehe die Notbremse, wenn es mir zu persönlich wird. Also, leg los!
Hand aufs Herz! Wann hast du dir zum letzten Mal ernsthaft Gedanken über einen viel zu frühen Tod gemacht?
Zum ersten Mal, als ich die Diagnose erhielt. Seitdem ist dieser Gedanke immer in meinem Hinterkopf. Damals, im August 2015, habe ich eine sehr persönliche Bilanz gezogen: Was will ich noch erleben? Was habe ich bisher versäumt? So etwas ist wichtig. Gerade in so einer extremen Situation sollte man sich die Erfüllung einiger offener Wünsche als Ziel für die Zeit nach der Therapie setzen.
Heute denke ich noch daran, wenn ich selbst Patienten behandele, die an Krebs erkrankt sind, oder wenn ich aus irgendeinem Grund über mich und meine Krankheit nachgrübele. Das ist aber immer seltener der Fall.
Vor einem Jahr haben dich noch das Perücke tragen und ein zu langsames Haarwachstum genervt. Du hattest Gefühlsstörungen in den Fingern und Schmerzen in den Zehen, spontan auftretende Hitzewellen und gelegentliche Schlafstörungen. Deine Psyche war noch nicht wieder so stabil wie vor der Diagnose. Das waren die Folgen der Therapie mit Chemo und Bestrahlungen.
Leidest Du noch unter unter deinen Polyneuropathien? Welche anderen Nebenwirkungen sind dir bis heute geblieben und wie sehr hast du dich mit ihnen arrangiert?
Die Gefühlsstörungen in den Fingern sind unbedeutend, ich bemerke sie nur noch selten. Nur die Füße! In den Zehen des linken Fußes habe ich noch diese Sensibilitätsstörungen. Das heißt, ich spüre nicht, wenn ich kalte Zehen bekomme. Aber damit kann ich leben.
Mein damals größtes Problem hat sich zum Glück erledigt. Meine Haare sind toll geworden und meine natürliche Haarfarbe ist sogar viel schöner als früher.
Die Hitzewellen kommen seltener und sind - zum Glück - nicht mehr so stark. Ich leide gelegentlich noch unter Schlafstörungen, die ich ab und zu mit einem leichten Schlafmittel zu bezwingen versuche. Meiner Psyche geht es wieder gut. Ich bin so ungeduldig wie eh und je, kann mich auch über Kleinigkeiten aufregen und mein Umfeld meint, ich sei wie früher. Also alles okay.
Sind innerhalb der letzten zwölf Monate neue und unerwartete Komplikationen hinzugekommen?
Nein.
Wie sieht dein gegenwärtiger Therapieplan aus? Nimmst du noch therapeutische Termine wahr, nimmst du regelmäßig Medikamente ein, musst du noch bestimmte Tätigkeiten vermeiden oder gehst du nur noch zu regelmäßigen Nachkontrollen?
Ich gehe regelmäßig alle drei Monate zu meiner Gynäkologin für die Ultraschallkontrolle der Brust. Im Oktober steht wieder ein PET-CT auf dem Plan und ein MRT des Schädels. Ich nehme täglich ein hochdosiertes Vitaminpräparat ein, in dem auch viele Spurenelemente enthalten sind. Dieses Medikament wurde speziell für Patienten wie mich entwickelt. Außerdem gehe ich regelmäßig zu meiner Onkologin. Ansonsten mache ich alle Tätigkeiten wie früher und habe - zum Glück - keine Einschränkungen.
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Welche erwähnenswerten Veränderungen gibt es diesbezüglich? Macht das Lesen jetzt weniger Spaß? Oder hast du deinen geliebten Chardonnay mittlerweile durch Gemüsesäfte ersetzt?
In dieser Hinsicht hat sich nichts verändert. Ich liebe nach wie vor meinen Beruf, meine Hobbys und den Chardonnay.
Dein Sport war schon immer das Schwimmen - vor der Diagnose, während der Therapie und auch jetzt noch.
Wie beurteilst du deine Schwimmleistungen im Vergleich zu früher?
Unglaublich, aber wahrscheinlich bin ich so fit wie nie zuvor. Ich trainiere zwei- bis dreimal in der Woche und schaffe so mein Ziel von 150 Minuten Ausdauersport pro Woche. In meiner alten Trainingsgruppe bewältige ich auch noch die inzwischen gestiegenen Anforderungen sehr gut. Naja, man darf nicht vergessen, dass mir das Schwimmen enorm viel Spaß macht. Das ist doch das Wichtigste!
Kommen wir zu den Ärzten und Schwestern, die dich in den letzten zwei Jahren betreut und begleitet haben. Nehmen wir mal an, niemand von ihnen liest dieses Interview.
Wie fällt die ehrliche Beurteilung deiner medizinischen Behandlung aus? Womit warst du zufrieden und was wäre für dich eher verbesserungsbedürftig?
Ich war rundum zufrieden - mit allem und jedem. Falls es doch jemand liest: Ich danke euch allen von ganzem Herzen! Ihr habt die Zeit für mich erträglich gemacht und mir immer geholfen, wenn ich zusätzliche Hilfe benötigt habe. Das ist auch heute noch so.
(Fortsetzung folgt am 7. September)